Valeria Heintges
Das globalisierte Theater
nachtkritik.de, 31.08.2018

Das Thema Migration ist vorherrschend, wird immer wieder von neuen Seiten angegangen. In kleinen Hochbeeten auf der Wiese mit eingewanderten Pflanzen, die in der Schweiz heimisch geworden sind, und mit Werken der Kunst. Allen voran: Marta Górnicka mit ihrer Hymn do miłości, ihrer “Hymne an die Liebe”. Sie steht im Zuschauerraum und dirigiert ihren Chor: 25 Schauspieler*innen, die Ungeheuerliches schreien, heulen, brüllen, flüstern. “Noch ist Polen nicht gestorben” zitieren sie die Nationalhymne. “Umsonst gibt es nichts”, rufen sie, “wir nehmen uns alles”. Und: “Ich radiere die nutzlosen Völker aus!”. Langsam, unmerklich fast der Übergang, vom Verständlichen über die Wut des Zukurzgekommen-Seins zum völlig falschen Schluss. Dabei sehen sie so nett aus, die Menschen auf der Bühne, die sich in immer neuen Formationen aufbauen, mal Solo, mal in Gruppen, mal alle wie aus einer Kehle sprechend. Sie marschieren, skandieren, singen patriotische Lieder und verteidigen als Mütter den Sohn vor allem Übel. Ihr “Ich glaube an meinen eingeborenen Sohn” wird zum Glaubensbekenntnis für das eine, reine Volk, das gegen Eindringlinge verteidigt werden muss. Sie ist doppeldeutig, bitter, verlogen, diese Liebeshymne. Stehende Ovationen gibt es völlig zu Recht. Und keinerlei Verwunderung über die Tatsache, dass Górnicka zwar an den Münchner Kammerspielen arbeiten darf, aber nicht mehr in ihrer polnischen Heimat. (..)

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